Nachdem ich es mir im letzten Blogeintrag mit dem Thema „Region“ leicht gemacht habe, heute einige Anregungen zu einem ganz schwierigen Fragenkomplex: den Kosten als Faktor für die Agenturauswahl.
Frage 1: Wie erkenne ich, auf welchem Preisniveau sich eine Agentur bewegt?
Generell halte ich die Kostenstruktur der Agentur für den besten Indikator des Preisniveaus, z.B. die Größe des Overheads, die Freelancerquote, den Schuldendienst (insbes. bei börsennotierten Agenturen) und das standortbedingte Personalkostenniveau. Solche Faktoren erkenne ich als Profi bei einem Besuch vor Ort mit ein paar Fragen.
Wenn Sie ohne dieses Branchenwissen ein Gespür bekommen möchten: Fragen Sie nach Kosten von Projekten auf der Referenzliste, die mit Ihrem Projekt vergleichbar sind! Hier wird man Ihnen zwar keine exakten Preise, wohl aber mündlich Preiszonen nennen – und wenn Sie vorher dezent erkennbar machen, dass Sie generell Referenzen einholen werden, werden Sie von der Agentur wahrheitsgetreue Angaben erhalten. Fragen Sie bei diesen Referenzprojekten nach “Aufwandstreibern”, d.h. den kritischen Faktoren, die den Aufwand bestimmt haben.
Beliebt ist auch die Abfrage von Tagessätzen bei Skillklassen, beispielsweise „Senior Konzepter“. Meine Meinung: Fragen Sie diese ab, aber nehmen Sie die Antwort nicht allzu ernst. Nach Standard-Tagessätzen fragen Einkäufer, die gern hochkomplexe Excel-Tabellen zum Ausfüllen vorgeben, jedoch leider übersehen, dass Dienstleistungen schwer vergleichbar sind. Agenturprofis sind bekanntlich kreativ und können meistens rechnen, sie werden Ihnen daher entweder marktübliche Preisangaben machen (z.B. 800 EUR/Tag) oder günstige Listenpreise nennen, die durch projektweisen Mehraufwand in der Praxis wieder zu marktüblichen Preisen mutieren. Das ist wie der Listenpreis des Grundmodells beim Autokauf – Sie verstehen mich schon ;-). Ausserdem können Sie nicht sicher sein, dass Sie in Ihrem Projekt diese Skillklasse tatsächlich auch bekommen und ich habe auch noch nie erlebt, dass die Seniorität eines Mitarbeiters im Projekt zu einer Nachverhandlung geführt hat (hier wird dann nicht über Tagessätze, sondern Mängel diskutiert). Ein deutlich formuliertes Beispiel: Sie erfragen vor Auftragsvergabe einen Senior-Tagessatz, nach Auftragsvergabe macht die Agentur aber eine Mischkalkulation mit 30% Praktikantenleistung – häufig übrigens der Sache nach zu recht, womit ich nicht sagen möchte, dass nicht der niedrigere Preis zu berechnen wäre.
Der in der Praxis entscheidende Weg ist, sich mit der Kostenermittlung bei Ihrem konkreten Projekt zu befassen.
Frage 2: Was kostet mein Projekt?
1. Festpreis: Fragen Sie immer nach einem Projektfestpreis. Im Interactive-Servcies-Geschäft ist dies in 2 von 3 Fällen üblich. Der Grund dafür ist, dass die Agentur das Projektrisiko besser steuern kann als der Kunde – unter den zwei Voraussetzungen, dass Sie als Kunde bei Projektbeginn das Arbeitsergebnis exakt genug beschrieben haben und die Agentur das Projekt danach sauber managed. Achten Sie bei Festpreisen auf Nebenkosten wie Handlingpauschalen, Reisekosten, Softwarelizenzen, Bildrechte, Lektorat, Kuriere und Support. Wichtig beim Vergleich ist auch, inwieweit Leistungen auf Ihrer Seite erfolgen sollen, die Sie eventuell von vornherein von der Agentur erwarten würden, beispielsweise die Erstbefüllung mit Content, die Erstinstallation und die Kommunikation mit einem Hosting-Dienstleister. Aber Achtung – Nummer 3!
2. Wenn Ihnen die Agentur keinen Festpreis nennen möchte, lassen Sie sich von der Agentur eine Frageliste schicken, damit die Agentur genauer kalkulieren kann. An der Granularität und Genauigkeit der Frageliste erkennen Sie, ob die Agentur pokert oder nicht.
3. Achtung – Kalkulationsrisiko: In praxi entstehen die meisten Kalkulationsschwierigkeiten, weil das Konzept unvollständig (Features fehlen), zu abstrakt oder zu unscharf ist. In der Tat sind mehr als die Hälfte der Briefings, die ich in 18 Jahren von Kunden bekommen habe, keine brauchbare Kalkulationsgrundlage: Hohe Schätzunsicherheiten führen zu Aufschlägen von 20-50% und je nachdem, ob diese in die Kalkulation einfliessen oder nicht, sind diese Unsicherheiten zumeist der Grund für spätere Streitigkeiten. Wenn Sie diese Risikozuschläge bei Auftragsvergabe zu Ihren Gunsten herausverhandeln können, müssen Sie mit einem härteren Change Request Management und somit Mehrkosten rechnen. Ich kann hier daher beiden Seiten nur raten, im Interesse eines erfolgreichen Projektverlaufes keine Basarverhandlungen zu führen, sondern Unsicherheiten ganz sachlich zu besprechen und aufzuklären!
4. Achtung – Vergleichsmaßstab: Ein ganz beliebter Kundenfehler ist, erst nur ein Briefing zu versenden und dann alle Angebote gegeneinander zu vergleichen, wobei die Angebote jedoch selbst eine ausführliche Leistungsbeschreibung enthalten. Das ist der falsche Weg, da erstens die Leistungsbeschreibungen der Angebote unterschiedlich sind – schon einzelne Wörter sind wichtig! – und zweitens rechtliche Klauseln erhebliche Kostenunterschiede bewirken. Versuchen Sie stattdessen, für alle Anbieter eine einheitliche Beschreibung zu erreichen und wenn Ihnen Abweichungen erst nach Sichtung aller Angebote auffallen, so zögern Sie nicht, in einer zweiten Runde einheitliche Spezifikationen an alle Dienstleister zu geben. Undgeben Sie die wichtigsten rechtlichen Rahmenbedingungen vor, also diejenigen Klauseln für Verzug, Mängelhaftung und Nutzungsrechte. Legen Sie sodann schriftlich fest, dass bei Abweichungen Ihr Dokument massgeblich ist!
Frage 3: Wie kann ich Kosten sparen?
Folgende Tipps zur Kostensparung noch aus “meinem Nähkästchen”:
1. Fragen Sie nach der Bereitschaft, einen Teil der Kosten als variable Vergütung an den Projekterfolg zu koppeln. Faire Kriterien sind messbare Faktoren, welche die Agentur gut beeinflussen kann, beispielsweise Conversion, Aufenthaltsdauer, Pis, Steigerung Unique Usern X Tage nach Relaunch, Kundenbewertung bei Usabilitytest. Ein weites Feld. Ich meine, 20% variabler Anteil sind ein fairer Wert, den jede Agentur akzeptieren kann.
2. Koppeln Sie pauschalisierte Schadensersatzzahlungen an Nichterreichung von Meilensteinen (bereiten Sie dann aber Ihre Mitarbeiter auch entsprechend vor, sich an die Beistellungstermine zu halten!). Entsprechendes gilt für andere erfolgskritische Faktoren, wie Performancezeiten bei IT-Lösungen, Pagerank bei SEO-Arbeiten.
3. Verlangen Sie bei größeren Projekten nach Mengenrabatt. Aber nicht nur nach % auf Personentage, die Sie als Folgeprojekt beauftragen, sondern in vertretbarem Maße auch als Rückvergütung auf den Urauftrag! Beispiel: Grundauftrag 100 Personentage. Folgeauftrag 50 Personentage. Im Grundauftrag 10% Volumenrabatt auf den Folgeauftrag sowie 5% auf den Grundauftrag sind 10 Tage – Kleinwagen gespart!
4. Schauen Sie auf sichtbare Personaleinsatzplanungen und Projektpläne – hier ist mitunter auf einen Blick die Auslastungssituation und damit Ihr Verhandlungsspielraum klar.
5. Von Kunden gern gespielt sind mehrere Verhandlungsführer, die nur schrittweise aufgedeckt werden. Beispiel: Runde 1 der anfragende Produktmanager, Runde 2 eine genehmigende Instanz (Abteilungsleiter), dritte Runde ein Anruf der Geschäftsführung, die allein zeichnungsberechtigt ist. Ich halte das für kein gutes Spiel und die Quittung dafür wird die Dienstleistung sein, die Sie bekommen! Aber wenn Sie wollen, versuchen Sie es.
6. Versuchen Sie, durch frühzeitige Buchungen der Agentur Planungssicherheit zu geben. Ich halte es für eine korrekte Preispolitik, erst mittelfristig freie Ressourcen günstiger zu verkaufen als Ressourcen, die kurzfristig ein knappes Gut sind. Agenturen denken so häufig noch nicht, so funktioniert aber Marktwirtschaft, zum Beispiel bei Hotels und Reisen. Bei den meisten Agenturen fällt die gebuchte Auslastung nach 2-3 Monaten dramatisch ab. Wenn Ihr Projektstart diese Zeit hat, können Sie so Rabatte von mindestens 10% erhalten. Die Agentur deckt so auf diese Weise ihre Kosten und verdient erst an den später hinzukommenden Aufträgen die Zielmarge.
7. In jüngerer Zeit sehe ich auch Projektverträge, in denen die letzte Zahlung nicht an die Abnahme, sondern an einen späteren Zeitpunkt geknüpft wird, beispielsweise “Website läuft 90 Tage fehlerfrei” (vereinfacht formuliert). Beispiel: eine Endzahlung in Höhe von 40% des Auftragsvolumens wird gesplittet auf 20% bei Abnahme und 20% auf einen späteren Zeitpunkt (Eintritt obiger Bedingung). Das kommt wirtschaftlich einem Einbehalt für Gewährleistungsfälle gleich und kann vom Kunden genutzt werden, weil man sich um die letzten X % nur ungern streitet. Ich habe damit aber ein “Geschmäckle”, denn wir sind nicht auf dem Bau, wo Pfusch eher die Regel als die Ausnahme ist. Und ich halte dieses Vorgehen für sachlich falsch, da bei der Softwareentwicklung die “Fehlerfreiheit” über saubere Use Cases zum Abnahmetermin gut feststellbar ist und nachträgliche Fehler nicht immer eindeutig zu Lasten des Dienstleisters gehen.
8. Fragen Sie doch mal die Agentur, wie Sie Kosten sparen können. Sie werden sich wundern: fragen hilft!